2005 - DIE ZEIT 3 (Online)
DIE ZEIT (Online), Sonja Goernitz, commissioned series (Part 3/3), "Now we're talking - Eine Woche in Sydney", January 2005
Now we're talking – Eine Woche in Sydney
Sydney liegt weit weg von Europa in einer Bucht am Pazifik und ist das Ziel vieler Auswanderungswilliger. Hier verbinden sich wie in wenigen anderen Städten Wirklichkeit und Ideal. Für alle, die diesem Traum nahe kommen möchten: drei Vorschläge, wie man die Stadt in einem, drei oder sieben Tagen erobern kann. Oder sich von ihr erobern lässt.
Eine Woche in Sydney lässt ausreichend Zeit, um sich in die Stadt zu verlieben. Das ist ein Versprechen. Am ersten Tag wie beim 24-Stunden-Aufenthalt zum Opernhaus via George Street, QVB und Circular Quay mit Mittagessen am Kai und Sich-übers-Hornblasen-der-Schiffe-Erschrecken. Dann auch das Viertel Rocks ansehen und am Darling Harbour spazieren gehen.
Am zweiten Tag: Einen Tag am Strand planen, am besten Bondi Beach mit seinen Cafés und Restaurants - zum Beispiel den Mexikaner Montezumas mit günstigen Preisen und leckeren Gerichten wie der warmen Käsesoße als Vorspeise. Ein gemütlicher Spaziergang zu einem der Nachbarstrände kann als Zusatzprogramm eingebaut werden, aber nicht übertreiben, denn der dritte Tag bietet genug Herausforderung.
Der dritte Tag: Mit der Fähre von Circular Quay nach Manly, von dort aus wandern Naturliebende und fitte Touristen zur Spit Bridge. Gewagt, aber womöglich einer der schönsten Spaziergänge der Welt! Drei bis vier Stunden abwechslungsreiche Landschaft mit Stränden, Buchten, Booten, Vegetation fast wie in einem Regenwald und dann - auf dem Höhepunkt – eine atemraubende Aussicht aufs Meer und die Nord- und Südköpfe, Klippen, die wie ein Tor in der Ferne wirken und wo zu Weihnachten Segelrennen stattfinden. Es gibt Aboriginal Gravierungen in den Felsen, kopfhohe Buschlandschaft, Delfine in kleinen Buchten, in denen zwar Schilder besagen, man solle nicht nackt baden, die Idylle aber viele dazu einlädt. Am Ende öffnet sich der Weg zu einem weiten Strand mit einem Imbiss wie eine kleine Oase, wo es die typischen Wedges, frittierte Kartoffelkeile, gibt mit roter, süß-saurer Chilliesoße und Sour-Creme. Genau das Richtige nach so einer Wanderung, die einige den "Killer Walk" nennen, weil sie sowohl einfache als auch anstrengende Passagen hat. Insgesamt ist der Weg ein Naturerlebnis in unmittelbarer Stadtnähe mit vielen Fotomotiven. Man sollte genug Wasser mitnehmen, einen Snack einpacken, Sonnenmilch, Sonnenbrille und gute Schuhe, klar. Dann kann man sich Zeit lassen, sollte jedoch vor Sonnenuntergang an der Spit Bridge, einer Zugbrücke, ankommen. Von dort fahren Busse zurück in die Stadt.
Vierter Tag: Wer möchte, kann es ruhig angehen lassen, vielleicht einen der Märkte (je nach Wochentag in Paddington oder in den Rocks) besuchen oder Kulturelles genießen (Museen und Galerien siehe "Getting there" ).
Dann bietet sich eines der alternativen Viertel Newtown oder Glebe mit vielen Läden und Cafés zum Schlendern, Shoppen und Schlemmen an.
In Newtown gibt es Buchläden, die deutsche Second-Hand-Bücher verkaufen, etwa drei Bände von "Das Kapital" für 60 Dollar. Im Imperial Hotel treten Drag Queens auf, wie man sie aus dem australischen Film Priscilla - Queen of the Desert kennt. Die Shows mit fantastischen Outfits, viel Make-Up, falschen Wimpern und süffigen Kommentaren finden etwa dreimal pro Nacht statt. Das Imperial Hotel ist eher gay, man sieht also viele Homosexuelle oder Transvestiten auf den Tanzflächen und an der Bar. Genauso lebhaft geht es nachts auf der Oxford Street zu. Hier findet jährlich [im Februar/März] auch die Mardi Gras Parade statt, ein bunter Schwulen- und Lesben-Umzug, der internationales Publikum anlockt. Hier stehen die Leute die ganze Nacht vor den Clubs Schlange, um [zu tanzen].
Am fünften Tag ein Besuch im Zoo. Mit der Fähre vom Circular Quay zum Toranga Zoo fahren, dann den Bus zum oberen Eingang nehmen. Das Gute dabei, vor allem für Verkaterte: Der Weg durch den Zoo führt dann immer bergab. Auch wenn es Tierparks in vielen Städten gibt, lohnt sich der Besuch: Es gibt schöne Aussichten mit Giraffen im Vordergrund und der Skyline Sydneys dahinter und natürlich die drei K’s, die man in Australien sehen muss: Kangurus, Koalas und Krokodile. Um die nachtaktiven Tiere zu beobachten, gibt es auch ein Gehege, in dem es tagsüber dunkel und nachts hell ist.
Die Fähre bringt einen zurück zur Stadt. Abends könnte man den Tag im 3-D-Kino IMAX ausklingen lassen und sich "Wilde Tiere" anschauen. Davor oder danach eine Erfrischung in der Cargo- oder in der Pontoon-Bar.
Sechster Tag: in die Blue Mountains (siehe "Getting there“ ) oder zum Pittwater Nationalpark. Er umschließt traumhafte Landschaften und eine Jugendherberge, die auch Doppelzimmer vermietet. Der Bus von der City fährt zum Christ Point (schön, aber teuer: das Café am Steg; interessant, aber noch teurer: die Angebote in den Fenstern der Immobilienmakler). Eine kleine Fähre setzt die Reisenden zur Scottland Island und nach Halls über, wo auf einem Berg die Herberge liegt.
Es lohnt sich, hier eine Nacht zu verbringen. Am Morgen duscht man mit dem Regenwasser aus den Zisternen. Das Haus im Fachwerkstil hat eine große Veranda, auf der Kakadus beim Frühstück auf dem Tisch sitzen und manchmal auch aus der Müslischale essen wollen. Vielleicht kommt ein Goanna vorbei, ein fast zwei Meter langes Reptil wie eine große Eidechse. Wenn die Balkontüren offen stehen, schlängelt er sich auch durchs Zimmer. Und wilde Wallabies, eine kleine Kanguru-Art, sind hier morgens und abends zu sehen.
Hinter dem Haus wachsen Aloe-Vera-Pflanzen. Wer ein Blatt anschneidet und das herausquellende Gel auf seinen Sonnenbrand schmiert, fühlt sofort Kühlung und Schmerzlinderung. Die Pflanze tut so gut, dass man aufpassen muss, sie nicht zu plündern.
Von der Herberge führen viele Wanderwege in die Natur. Empfohlen sei das Bassin, ein riesiger, von Bäumen umstandener Gumpen, den man in drei Stunden erreichen kann. Am Bootsanlegesteg gegenüber fahren Fähren und Wassertaxis zum Palm Beach hinüber. Am Anlegesteg gibt es ein Café auf Stelzen (bis 15 Uhr geöffnet), einen Golfplatz und Wasserflugzeuge für Rundflüge. Auf der anderen Seite der schmalen Landzunge liegt Palm Beach, wo es die Reichen hinzieht, so etwas wie das Blankenese Sydneys. Überraschenderweise gibt es dort kein besonders einladendes Café oder Restaurant, aber der Weg am oft einsamen Strand entlang und dann zum kleinen Leuchtturm hoch ist hübsch. Vom Palm Beach fahren Schnellbusse zurück in die Stadt.
Wer sich für Olympia interessiert, kann alternativ an diesem Tag eine Tour zum Olympischen Park unternehmen. Mit etwas Glück ist genau dann ein Rugby- oder Football-Spiel in dem großen Telstra-Stadium angesagt, in dem die Eröffnungs- und Abschlussfeiern stattfanden. Sonst wirkt das Gelände wie eine Geisterstadt. Welch ein Unterschied zu dem Trubel während der Olympiade! Dennoch ist Sport ein wichtiger Bestandteil der australischen Alltagskultur, und wer möchte, kann sich ein Cricket Spiel ansehen und versuchen, die Regeln zu verstehen.
Siebter und letzter Tag: Zum Abschluss noch einmal zur Oper – die muss man noch mal gesehen haben -, durch Chinatown schlendern und (je nach Wochentag) zum Paddy's Market gegenüber. Das Gebäude ist von außen renoviert und sieht von innen aus wie ein Parkhaus. Hier gibt es über mehrere Etagen Stände und Buden, wo man günstig Souvenirs kaufen kann. In der George oder in der Pitt Street gibt es auch viele Einkaufsmöglichkeiten für Souvenirs, doch sind sie dort meist etwas teurer. Zum Abschied könnte man auf den Centre Point Tower in der Innenstadt mit Dreh-Restaurant und Aussicht über ganz Sydney.
Okay, für Leute, die es jetzt erwischt hat, sei ergänzt: Einwandern ist je nach Berufsgruppe in Australien nicht ohne weiteres möglich. Doch der für die Immigration zuständige Minister sagte, für ein Grab in Australien brauche man kein spezielles Visum. Genaueres ist mit einem Bestattungsinstitut und der Einwanderungsbehörde abzusprechen.
Please find the original series on the website of DIE ZEIT:
http://www.zeit.de/2005/03/sydney_1